Advent 2011

24 clicks till Christmas

This year I proudly present Volume 5 of the legendary advent calendar with your pictures, stories, movies, games and songs. A little surprise per day, 24 days long. Many thanks to all artists, friends and fans! Enjoy your 24 clicks till Christmas and spread this link through the world!

♥ Christina

2010 | 2009 | 2008 | 2007 | www.christinaschmid.de
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Der Baum am Fuß

eine wirklich schöne weihnachtsgeschichte von nora moschüring

Ich erinnere mich noch: Damals als wir Kinder waren, da reihten sich hinter unserem Haus die Weihnachtsfichten, militärisch, akkurat. Alle acht Jahre, vor Weihnachten, da wurden sie geschlagen, abgeschlagen, ein LKW kam, fuhr rückwärts in den eingeschneiten Hof, lud sie unter unserem kindlichen Gejohle ein und fuhr sie in das nahegelegene Städtchen zum Weihnachtsmarkt. Solange die Bäume standen, spielten wir zwischen den Stämmen, als sie geschlagen waren, hüpften wir über die übriggebliebenen Stammstumpen. So hüpften wir ein paar Tage herum, bis zu dem Tag als Chris, der schon etwas älter war als wir und das Baumfällen bereits zum zweiten Mal mitmachte, über einen Fichtenstammstumpen sprang, sich bei der Weite und Höhe verkalkulierte und mit seinem Stiefel hängen blieb. Wir sahen ihn schon mit dem Oberkörper auf den nächsten Stumpen fallen und davon durchbohrt werden – der Baum war schlecht geschlagen worden, ein Stück frisches Holz, wo der Baum abgeknickt und gerissen war, stand spitz nach oben – doch Chris schaffte es im letzten Moment, den anderen Fuß auszufahren und landete mit dem bestiefelten Schuh auf eben jener spitzen Spitze. Der Schuh riss auf und die Spitze drang ein Stück weit in sein Fleisch ein. Chris schrie, wir schlugen uns die Hände vors Gesicht und er zog seinen Fuß vom Holz. Der Rest ging schnell: Die Wunde wurde verbunden und heilte innerhalb von vier Tagen – erstaunlich, das hätte uns verdächtig vorkommen müssen.

Drei Tage nach der Heilung zog Chris in die Stadt, ganz in die Nähe des Rathausplatzes, auf dem die Bäume verkauft wurden. Den Rest der Geschichte kenne ich nur aus Erzählungen, da ich damals noch zu klein war, um es mir anzusehen, aber auch ziemlich schnell im wahrsten Sinne des Wortes Gras über die Sache gewachsen war. Chris schlenderte, kurz nach dem Umzug, eines Dezembermorgens, an den Geschäften vorbei, sah sich die Auslagen an, überquerte den Rathausplatz und betrat, leicht hinkend, ein direkt am Platz gelegenes Schuhfachgeschäft. Platzgenommen. Eine freundliche Fachverkäuferin mit einer praktischen Halteschnur an ihrer Brille (so wurde es mir erzählt) und spitzen Fingern war augenblicklich an seiner Seite und gemeinsam versuchten sie ein passendes Schuhmodell zu finden. Sie befreite ihn von den etwas klammen Halbschuhen, die er seit dem Unfall trug und sah besorgt auf seine rechte Socke. Auch Chris stutzte und bewegte sich unruhig hin und her. Jetzt wurde ihm klar, weshalb er das Gefühl gehabt hatte, als habe er sich in seinen rechten Schuh einen Stein eingedrückt, oder als wäre sein rechtes Bein mit einem Mal länger. „Ach du liebe Güte“, der Verkäuferin fiel die Brille von der Nase, die aber glücklicherweise hängen blieb. Wie gut! Was war geschehen? Unter Chris Fuß befand sich ein kleiner Berg. Etwas stemmte sich gegen die Haut und drückte dagegen. Allzu groß war das Ding noch nicht, ganz wie ein Fingerhut. Eilig zog ihm die Verkäuferin eine dicke Socke an, damit sie es nicht mehr sehen musste, rief die Notfallnummer und seine Eltern und drückte ihn hinaus auf dem Platz, dass es da keinen Ärger im Geschäft gab. Sie stellte ihm einen Stuhl hin und er setzte sich. Nach fünf Minuten kamen die Eltern und die kleine Schwester. Sie entfernten die Socke. In genau diesem Moment brach der Wulst auf der Fußsohle auf. Zwei zarte, grüne Triebe quollen hervor, etwas Blut tropfte daran herab. Die Zweige sahen ganz entzückend aus, mit ihren schüchternen, weichen Ästen, den fast blattweichen jungen Nadeln. Seine Schwester begann sich einen Spaß daraus zu machen, das Grün leicht zu streicheln. Davon musste Chris lachen. Sie kitzelte und kitzelte, bis Chris sich vor Lachen den Bauch halten musste und seine Eltern ihr sagten, sie solle aufhören. Passanten kamen und sahen zu wie der Baum von Minute zu Minute weiterwuchs und kauten dabei auf ihren Wurstbrötchen. Er duftete herrlich nach feuchten Nadeln und sein Stamm war gerade und die Zweige symmetrisch und dicht gesetzt: Ein wirklich schöner Baum. Es wurden zwei weitere Stühle angebracht, auf die das immer größer werdende Fichtenbäumchen gelegt wurde. Die Sanitäter waren mittlerweile auch eingetroffen, kratzten sich an den Köpfen, begutachteten den Baum am Fuß und wunderten sich etwas. Weihnachtsbaumhändler stießen dazu und fragten ob sie den Baum kaufen könnten, dass lehnten Chris Eltern aber ab, schließlich war das ihr Sohn. Auf einmal rief die kleine Schwester, dass der Bruder ja immer blasser würde, ganz verschrumpelt und trocken sähe er ja schon aus. Mit tatsächlich sehr trockenen Lippen verlangte Chris, der es selbst noch gar nicht bemerkt zu haben schien, nach Wasser. Man brachte es ihm, er trank und schnell kam wieder Leben in ihn und auch der Fichtenbaum, der merklich langsamer gewachsen war, blühte auf und wuchs und wuchs. Das freute die Menschen sehr. Er wuchs über die beiden Stühle hinaus und wurde erst wieder schwächer, verlor sein sattes Grün als Chris wiederum eingeknickt und mit schlaffen Gliedern auf dem Stuhl lag. „Ach herrje, der arme Junge!“ sagte die Fachverkäuferin, die von ihrem Laden aus das Ganze betrachtete. Man lief und flößte ihm abermals Wasser ein und unter einem allgemeinen Ah und Oh der Umstehenden wurde die Fichte wieder stark und schön. Das ging im Ganzen noch drei Mal auf diese Weise, bis die Fichte zwanzig Meter lang war und dreißig Stühle eines nahegelegenen Italieners zerdrückt hatte. Auf dem Stamm saßen nun fröhlich einige Marktbesucher, tranken Glühwein und wippten mit den Beinen. Die Eltern hatten mittlerweile eingesehen, dass der Baum ihres Sohnes zu groß für das Wohnzimmer war und so überließen sie es dem Bürgermeister, der Feierabend hatte und vom Rathaus herübergekommen war, eine geeignete Stelle dafür zu finden. Die Sanitäter, der Bürgermeister, die Schuhfachverkäuferin (auch sie hatte mittlerweile Feierabend) und die Eltern aßen Wurstbrötchen, tranken Glühwein und überlegten, was zu tun sei, während Chris einen Wassereimer nach dem anderen trank. Es wurde dunkel, die Menschen verließen Baum und Markt und es war immer noch keine Lösung gefunden. Da rief mit einem Mal die kleine Schwester, der allmählich kalt wurde: „Na dann bleibt er halt hier auf dem Rathausplatz. Graben wir ihn einfach ein, dann hat die Stadt einen Weihnachtsbaum, die Sanitäter Feierabend, Chris bekommt genug Regenwasser und wir können Heim gehen!“ Welch wunderbare Idee, freuten sich alle – bis auf Chris, doch der war überstimmt – sie beglückwünschten sich. Gesagt, getan: Sie gruben ein Loch auf einer Grünfläche in der Mitte des Platzes und steckten Chris kopfüber in die feuchte Erde und schaufelten es zu.

Seit diesem Tag hat die Stadt eine ganz wunderbar stattliche Fichte auf dem Rathausplatz stehen und jedes Jahr zu Weihnachten wird sie geschmückt und von allen Bürgern wird sie liebevoll Chris-Baum genannt.

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In der vergangenen Woche habe ich zwei wunderbare Tage mit meiner Oma Heidi verbracht. Vom Frühstück bis zum Abendessen erzählte sie mir Geschichten von früher. Zwischendurch haben wir gemeinsam gekocht: es gab Lammbraten, Kartoffelgratin und Rosenkohl und am nächsten Tag Grünkernsuppe, Gemüsepfanne und Apfel-Orangensaft-Kompott mit karamellisierten Mandeln und Vanillesahne.
Oma Heidi und ich kochen und reden weiter. Daraus wird ein biografisches Kochbuch, mit Rezepten und Geschichte aus einer Bayrischen Kindheit und einem Leben in Schwaben, mit Ausflügen in die ayurvedische Küche und praktischen Tipps für die moderne, gesunde Single-Küche.

Für euch gibt es heute weihnachtliche Schlachtplatte aus dem Bayrischen Wald:

Weihnachten

Ich mag wenn du erzählst. Machst du das auch gerne?

Mittlerweile tut es mir nicht mehr weh, das habe ich jetzt gemerkt. Es gibt nicht viele gute, schöne Erinnerungen. Außer Weihnachten. Weihnachten war schön. Also zum einen, Christina, war es ein großes, ein ganz großes Erlebnis für uns, dass ein dickes Schwein geschlachtet wurde.

Wie viele Schweine hattet ihr denn?

So drei, vier. Zwei hat man selber für den Eigenbedarf gebraucht und zwei hat man verkauft, weil man ja auch Geld einnehmen wollte, um wieder gewisse Dinge anschaffen zu können. Das Schwein hat man also das ganze Jahr über durchgefüttert und dann wurde es geschlachtet, eine Woche vor Weihnachten.

Warst du dabei?

Da war ich dabei, weil ich manchmal Blut rühren musste!

Und wie war das?

Christina, jetzt pass mal auf. Früher hat man die Schweine ja viel fetter gefüttert, weil man den Speck auch gemocht und gebraucht hat. Um die schwere, körperliche Arbeit zu bewältigen, ›brauchst nadierlich scho a guets Essn‹, wie man in Bayern gesagt hat. Da hat man den Speck nicht nur in die Wurst, sondern auch gebraten – das gab die gute Soße. Aber das war natürlich EIN Fettauge da oben! Na kurzum, man hat die Schweine so gefüttert bis sie etwa so … – heute füttert man sie noch so auf 120 bis 130 Kilo. Mehr Fett will der Verbraucher gar nicht mehr heutzutage. Und die hat man eben länger gefüttert, ein halbes Jahr etwa, dann war dieses Schwein richtig schwer und hatte so dick Speck drauf.

Was hat das Schwein denn zu fressen bekommen?

Die haben in erster Linie gekochte Kartoffeln bekommen, die musste ich immer in einem großen Kessel kochen, das hat dann für zwei Tage gereicht. Der Kessel war draußen und derselbe, in dem auch die Wäsche abgekocht wurde. Der wurde ausgewaschen und dann hat ihn meine Mutter wieder zum Waschen genommen, einmal die Woche. Geschlachtet hat man ja nur zweimal, höchstes zweimal. Konnte man ja nur im Winter, wenn es kalt war. Wir hatten ja keinen Gefrierschrank und keinen Kühlschrank. Dann hat man das Fleisch, das man verwenden musste, weil es ja nur bedingt frisch blieb so lange es kalt und frostig war, hat man es also im Dachboden oben aufgehängt, dieses halbe Schwein. Und wenn dann Tauwetter begann und es milder wurde, musste man das Fleisch einlegen in einen Sud. Das war Lake, wie man sagt. Und so hat man Fleisch haltbar gemacht. Oder man hat es in Weckgläser eingekocht. Fleischscheiben mit dem Sud mit Gummi und Klammer drauf wieder in dem großen Kessel eingekocht. So hat man bei uns Fleisch haltbar gemacht. Und den durchwachsenen Bauch hat mein Vater im Kamin geräuchert, für uns.

Jetzt erzähl mal vom Schlachten!

Also mein Vater oder mein Bruder, das habe ich nur einmal gesehen, erst später dann mit dem Schussapparat, einfach da in den Kopf reingeschossen. Ja, dann fällt die Sau gleich um. Bevor sie den Schussapparat hatten, da war ich aber nie dabei – das konnte ich als Kind nicht sehen, da war ich nicht stark genug – da haben sie es einfach mit so einem großen Hammer zwischen den Kopf geschlagen.

Und wer hat das Schwein festgehalten?

Der Verschlag war so eng, dass die Sau nur stehen konnte. Und dann hat man von vorne, so wie man hinkam, draufgeschlagen. Aber das hat man mir nur erzählt. Gesehen habe ich es eben erst mit dem Schussapparat, als es anders auch nicht mehr erlaubt war. Einfach Peng und das Schwein ist umgefallen, das war alles. Es hat nicht gelitten. Dann hat man es in einen ganz großen Holztrog – der in dem wir sonst immer den Brotteig drin hatten – Christina, der war so groß, so breit und so tief, so 1,60, 1,70 war der Trog. Da kam die Sau rein. Mit Ketten haben sie sie festgemacht, dass man sie besser festhalten konnte – das haben die Männer gemacht, da war ich auch nicht dabei. Dann hat man Pech – Schweinepech nennt man das, damit die Borsten weggegangen sind – mit dem hat man es eingerieben. Das hat meine Mutter gemacht. Ich habe am Anfang zugeschaut: mir grauste es vor dieser Sau, die hat so gezappelt in dem Trog.

Aber mit dem Schussapparat wurde sie doch …

Ja doch, die war schon tot. Das waren die Lebensgeister die noch drin waren. Über das Schweinepech kam kochendes Wasser drüber, dann sind die Borsten abgegangen. Dann konntest du diese Schweinshaare abschaben, mit einer speziellen Stahlbürste haben die das gemacht. Und für Stellen, die für den Schaber schwer zu erreichen waren, hatte mein Vater ein ganz scharfes Messer. Hinter den Ohren zum Beispiel oder an den Füßen oder da unten – da wo man halt nicht hinkommt. Rasiert.

Und ihm hat das gar nichts ausgemacht?

Christina, glaubst du es hat irgendjemand gefragt, ob du das kannst oder nicht? So, und wenn die glattrasiert war, dann hat man sie an den Ketten und an Seilen hochgehängt. Da hat man draußen eine Vorrichtung angebracht, aus Balken. Manche, die regelmäßig geschlachtet haben, hatten so einen Raum, in dem man es aufhängen konnte, mit Haken. Das hatten meine Eltern später dann auch. Dann hat man das Schwein da hingehängt und es in der Mitte aufgemacht, mit dem Beil. Zuerst mit dem Messer reingestochen und dann mit dem Beil die Rippen durch, den Brustkorb durch, quasi da unten und dann ist das ganze Gedärm rausgefallen.

Auch in den Brotteigtrog?

Nein nicht das, nein nein, das kam da nicht rein. Man hat unten so eine Blechwanne hingestellt und da ist das ganze Gedärm rein. Dieser Trog, der wurde später dann auch wieder so gesäubert, da hast du nichts mehr gemerkt. Und später hat man auch einen zweiten Trog gehabt. Das war halt am Anfang unserer Zeit, als wir noch sehr arm waren. Christina, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.

So lange ist das ja noch gar nicht her.

Pass mal auf. Wann war das. Ich bin Neunzehnhundert… – 63 haben wir geheiratet, ich bin 62 gegangen, ja, ich war zwei Winter in Metzingen und zwei Sommer daheim. Also 61 habe ich den Frieder schon kennengelernt. Von 62 an war ich im Schwäbischen. Und jetzt haben wir bald 2012. 50 Jahre ist das her.

Erzählst du mir noch von Weihnachten?

Also das war die einzig positive Erinnerung an meine Kindheit, Weihnachten. An Weihnachten war alles anders. An Weihnachten war mein Vater friedlich, …

Am 24.?

Jetzt pass auf. Schon die Woche vorher. Erst mal hat man sich schon riesig darauf gefreut dieses Schwein zu schlachten, dass man endlich mal Fleisch bekommt. Ein paar Tage vor Heiligabend war es dann soweit, da wurde geschlachtet, weil wie gesagt, du hattest ja keinen Kühlschrank. Du musstest den Winter nehmen, die erste kalte Zeit zum Schlachten. Und dann wollte man dann eben von diesem Schwein Leberwürste und Blutwürste – die wurden dann eigentlich über Weihnachten gegessen, das war unser Festessen. Ein besseres Essen gab es das ganze Jahr nicht. Da haben wir geschlachtet, haben alle mitgeholfen, haben die Därme geputzt – das haben meistens mein Vater und meine Mutter gemacht, weil die mussten tipp topp sauber sein. Man hatte damals nur Naturdärme. Nur diesen Presssack, diesen Schwartenmagen konnte man kaufen. Kennst du ja.

Kenne ich nicht. Woher denn?

Weißer Presssack kennst du nicht? Naja, dafür hat man Papierdarm gekauft, wie so ein Schlauch. Und den musste man auch so füllen mit der Wurstmasse, hinten und vorne zubinden und dann hat man ihn erstmal gebrüht. Für diesen Presssack waren die Fleischstücke grob und in der Leberwurst ist es ja fein. Gebrüht wurde in dem großen Kessel, dafür war ich zuständig. Du musstest es immer am Sieden halten. Es durfte nicht sprudeln, aber es musste immer kurz vor, also sieden halt. Den Kessel musste ich immer von unten mit Holz heizen und wenn es zu sehr kochte, etwas kaltes Wasser dazu. So musstest du das beaufsichtigen, sonst ist die Leberwurst geplatzt.

Ist dir das mal passiert?

Ja, das ist jedem mal passiert, dass die eine oder andere geplatzt ist. Aber es dürfen nicht alle platzen. Wenn eine mal platzt, okay, das nimmt man in Kauf. Weil die Suppe, das ist ja Metzgersuppe, die isst man ja wieder. Die war sehr begehrt. Da sind sie auch aus der Nachbarschaft gekommen und haben gefragt, ob sie ein bisschen Schlachtsuppe bekommen. So, dann hat man dieses Fleisch alles klein geschnitten und das für die Leberwurst hat man durch den Fleischwolf gedreht. Das haben alles meine Mutter und ich gemacht. Die Männer das Grobe, wir das Feine. Wir hatten damals die ersten Jahre einen Metzger, der uns das gemacht hat und da hat mein Bruder immer mitgeholfen und das mit der Zeit gelernt. Und irgendwann konnte der Walter das alleine, mit uns zusammen halt. Und dann gab es also an Heiligabend immer Schlachtplatte. Ja und am Schlachttag wurde ja dieses Fleisch das man verwurstet hat erst mal gekocht in diesem besagten großen Kessel. Dieses Fleisch war dann an diesem Tag unser Festessen: das Kesselfleisch. Und da hat man auch nicht in der Stube gegessen, sondern im Schlachthaus. Da war der Tisch, an dem man auch gewurstet hat. Den hat man kurz sauber gemacht, dann hat jeder sich sein Holzbrett geholt und dann hat der Vater oder der Bruder – wer halt gerade zuständig war – dieses gekochte Fleisch aufgeschnitten, in Scheiben und da konnte sich jeder wegnehmen was er wollte. Nur in Salz eintunken und dann gab es Bauernbrot dazu und für die Männer Bier. Und für uns Radler, das gab es. Ein Gläschen. Später durften wir auch mehr trinken. Für das Schlachten musste ich ein paar Flaschen im Wirtshaus holen, auch für die Helfer. Das war schon mal ein Festessen. Und an Heiligabend gab es Schlachtplatte. Da wurde dann eben Fleisch übrig behalten, vom Kopf und ein bisschen Herz, und ein bisschen Leber – es wurde von allem ein bisschen was zurückbehalten, vom Wursten und das gab es an Heiligabend. Gebacken wurde im Vorfeld schon – ganz viel bei uns. Weil Weihnachten war die einzige Zeit, in der es Süßes gab.

Was für Plätzchen habt ihr denn gebacken?

Viele Ausstecher, weil die preiswert und ergiebig waren. Die haben meine Mutter und ich gebacken. Sie hat den Teig gemacht und ich durfte ausstechen. Annerl ist ja 8 Jahre jünger gewesen als ich, sie war halt ein Kind, die konntest du ja nicht für solche Arbeiten einspannen. Und dann haben wir gebacken. Wir hatten immer so Schmalztöpfe, so braune, da hat man das Weihnachtsgebäck reingetan und dieses Mürbegebäck hat man nur in Pappschachteln aufbewahrt. Die musste ich mit Pergamentpapier auslegen und dann die Kekse rein. Und meine Mutter hat sie dann versteckt. Weil die wären alle gegessen worden, vor Weihnachten. Wir haben immer schon auf den ersten Advent gebacken. Und dann zwischendrin noch zwei, drei mal. Hat man wieder aufstocken müssen. Aber hauptsächlich gab es bei uns die Plätzchen – Zeiterl sagen wir! Die gab es hauptsächlich erst an Heiligabend. Jeder bekam so einen bunten Teller, einen Pappteller, bunt, mit Weihnachtsmotiv. Das war das Weihnachtsgeschenk. Da hat auch niemand gemosert an Weihnachten. Da hat der Vater nicht geschimpft, da hat man gebetet, da hat man gesungen und hat gegessen, dann gab es nach dem Essen für die Erwachsenen einen Schnaps und für uns Frauen gab es dann einen Likör. Der Vater hat dann einen Steinhäger – war damals ein Privileg – zum Verdauen für das fette Essen. Und dann haben sie meistens einen Jango zusammen gekriegt, dass sie sich nicht mehr gekannt haben. Aber es waren alle friedlich. Da hat niemand geschimpft. Weihnachten war bei uns Frieden. Friede, Freude, Eierkuchen. Da durften wir auch so lange aufbleiben, bis wir also freiwillig ins Bett sind. Um zehn sind wir in die Christmette gegangen – einer ist immer daheim geblieben, das war meistens der Vater, weil das Feuer kannst du ja nicht ausgehen lassen, in so einem Haus in dem nur eine Feuerstelle ist. Der große Ofen in der Küche musste immer am Brennen sein. Am Heiligabend sind meine Mutter, mein Bruder und Annerl in die Christmette gegangen. War schön, ja. Wenn wir heimgekommen sind hat es meistens nochmal was gegeben. Sowas wie einen Punsch, hat meine Mutter gemacht, aus Apfelsaft. Der wurde erhitzt, mit Zimt und Nelken drin. Das war fein. Und dann gab es nochmal Plätzchen. Und manchmal war es auch so, dass wir nochmal gegessen haben. Wir sind eine halbe, dreiviertel Stunde hin marschiert, im Winter, und wieder so lange zurück. Da konnte es sein, dass wir nochmal was Warmes … – weil das stand ja eh noch alles auf dem Ofen.

Wie war das Fleisch eigentlich zubereitet?

Sauerkraut! Das Fleisch hat man nur gekocht, im Kraut drin. Wir hatten eigenes Sauerkraut. Wir hatten Weißkohl, den haben wir gehobelt, mit einem ganz großen Hobel, und dann gab es ein braunes und ein graues Krautfass – Steingut, ein kleineres und ein größeres. Meine Mutter hat gehobelt und ich musste die Füße vorher ganz sauber waschen und musste das Kraut stampfen. Da wurde immer wieder Salz reingegeben und so wurde das haltbar gemacht. Das war im Herbst, wenn das Kraut reif war, im September. Ja. Also bei uns in Bayern ist alles ein bisschen versetzt, weil früher hatten wir länger Winter und starke Winter. Dann ist das im Keller gestanden und beschwert worden, mit Steinen auf einem Holzbrett. Das musste gepresst werden, dann ist es gegoren. Und diesen Saft, diesen Gärsaft, den musste man immer wieder abschöpfen von oben. Den konnte man trinken, wenn man das mochte. Wir haben es auch probiert, aber das war sehr herb und so kohlig. Und erst wenn das vergoren war, war es haltbar. Da kam also ein großer Topf mit Kraut auf diesen Holzofen in der Küche, in der Wohnstube, da kam ein bisschen Kümmel rein, und ein bisschen Wasser, aber weil man noch Fleischsuppe vom Schlachttag hatte, hat man natürlich die genommen – das war vom Feinsten. Und da hat man dieses Fleisch drin gekocht. Verschiedene Fleischstücke, auch ein Stück Herz, ein Stück Kopffleisch – Kopffleisch ist was Gutes! Ja, der Schweinekopf, der Saukopf wurde mit dem Beil in der Mitte geteilt, da hat man das Hirn rausgeholt, mit dem Löffel, und hat Hirnsuppe gemacht. Das ist gut! Das schmeckt gut!

Dieses Schwein musste ja ein halbes Jahr gefüttert werden. Die ganzen Kartoffeln hättet ihr ja auch selber essen können.

Aber die Kartoffeln schmecken besser, wenn sie vorher die Sau gefressen hat.


So weit, so gut. Für heute.

Frohe Weihnachten mit friedlicher Familie und gutem Festessen
wünschen Heidi und Christina